Der Krieg der Anderen

Und da war sie wieder, die vermeintliche Alternative zur Diplomatie: der Krieg. Und der ist in der kleinen Welt der großen Herrscher über Leben und Tod sehr wahrscheinlich, nein: dringlich. „Der nächste Krieg in Nahost [rückt] schnell heran“, botschaftet der Spiegel aus der Welt der Ganzbesondersschlauen, die man ja bei so existenziellen Fragen fragt.

Die Kritik Walter van Rossum’s aus dem Januar trifft auf die gegenwärtige Berichterstattung des Spiegel immer noch zu:

„Wenn fünf Jahr lang über das iranische Atom-Programm berichtet wird, kann Ihnen immer noch kein Mensch sagen, was an diesem eigentlich schlimm sein soll. Das ist ein Informationsdesaster. Stattdessen werden völlig irreale Debatten lanciert. Da wird uns als Alternativen für eine Iran-Politik angeboten: Diplomatie oder Krieg. Die Aufgabe des Journalismus wäre ja nun zu zeigen, dass diese Debatte absurd ist, meiner Meinung nach sogar strafrechtlich nicht erträglich ist. Denn ein Angriffskrieg ist immer noch ein Verbrechen, nach deutschem Recht, nach Völkerrecht – kurz: diese Option gibt es gar nicht. Der Journalismus darf sich nicht auf Pro-Contra-Debatten einlassen, sonst ist er schon eingebunden in ein Spiel, das andere mit ihm machen. Aber dazu muss man eben Fragen stellen.“

Weil wir an dieser Stelle immer so gerne falsch verstanden werden: Es geht nicht um eine korrekte politische Haltung. Es geht ausschließlich um Journalismus. Und der findet zum Thema Iran weiterhin nicht statt beim Spiegel. Stattdessen schlittert er mit uns, mit seiner Besatzung und mit besten Nahost-Kontakten hinein in den nächsten gut verkäuflichen Krieg.

Journalismus soll Wissen und Kommunikation für persönliche Entscheidungen ermöglichen. Dazu stellt der Journalismus Fragen und sucht nach Antworten darauf. Guter Journalismus stellt gute Fragen. Schlechter Journalismus stellt Dusselfragen, was gar nicht so schlimm ist, nur viel mehr Zeit kostet und deshalb nicht zum Ziel führt, jedenfalls nicht, bis die besseren Kollegen mit ihrem Job schon fertig sind und der Markt vielleicht abgefrühstückt ist.

„Der Iran“ – womit vermutlich ein Teil des Herrschaftssystems gemeint ist – „ist böse“, lautet das westliche Diplomatiecredo. Warum?
„Weil der Iran ein Atomprogramm fährt, das nur vorgeblich der zivilen (und unbedingt förderungswürdigen) Nutzung dient, in Wahrheit aber den Bau von Atombomben vorbereiten soll.“

Dussel-Journalismus steigt da schon ein, verlangt nach Beweisfotos, diesen schönen Satelliten-Aufnahmen, die dann den Sand rund um eine Atomanlage zeigen, in der gerade waffenfähiges Plutonium zusammengeschraubt wird. Kann man machen. Aber es gibt natürlich auch Satelliten-Aufnahmen, die den Sand rund um eine Atomanlage zeigen, in der ganz brav und völlig en vogue an Brennstäben für Friedens-AKW gezimmert wird.

Eine zielführendere Frage an dieser Stelle lautet sicherlich: Wer darf was? Und da wird ein Begründungs-Warum mit beantwortet werden müssen. Warum etwa darf (oder muss?) Israel Atomwaffen besitzen, Iran aber nicht? Muss jedem Land der Erde, das Atomwaffen besitzt oder besitzen will, der Krieg erklärt werden, oder nur bestimmten, und ggf. welchen?

Diese Fragen zu stellen ist gerade keine Frage der politischen Haltung, hat nichts mit rechten oder linken Verkrümmungen zu tun. Es geht schlicht um Orientierung.

Der Spiegel stellt diese Fragen allerdings nicht. Er geht von irgendeiner – Gott gegebenen? – Machtverteilung aus und sorgt sich auf dieser Basis sogleich, dass Deutschland von diplomatischen statt kriegerischen Lösungen wirtschaftlich hart getroffen wird. Für 5,2 Milliarden Dollar habe Deutschland 2006 in den Iran exportiert. Und Gas will Deutschland vom Iran haben, damit nicht alles von den immer noch nicht ganz lieben Russen kommen muss. Ach Gott, ja, Krieg oder Diplomatie, sag’s mir doch bitte in Dollar.

Wer darf was? Es ist eine wirklich offene Frage, aber sie muss natürlich so lange gestellt werden, bis all das an Informationen vorliegt, was ein Souverän so braucht zum Souveränsein. Bis klar ist, warum die gerichtliche Todesstrafe (in Deutschland, nicht etwa den USA) menschenrechtswidrig ist, aber eine diplomatische oder militärische Todesstrafe nicht. Woran man die guten Länder erkennt, die Atomwaffen als überlebenswichtige Friedenssicherung haben dürfen, und diejenigen, die damit Böses wollen und darum kräftig was auf die Mütze brauchen.

Was würde eigentlich Isaak Ben-Israel sagen, wenn ihn der Spiegel fragte, wieviel Zuckerbrot und Peitsche die Atommacht Israel so braucht, um zum Einlenken bewogen zu werden? Im Spiegel darf sich der israelische Generalmajor a.D. und Knesset-Abgeordneter immerhin schon im Hinblick auf den Iran äußern. Fehlt auch noch die Frage, wer hier warum Dompteur spielt.

5 Gedanken zu „Der Krieg der Anderen

  1. Jochen Hoff

    Der Spiegel ist Teil der Mohn/Bertelsmann Maschine für die Vertretung der partikularen Interessen der Familie Mohn. Denen gehört auch VAW Arvato, die, die Logistik für Nato in Teilen übernehmen und gerne noch mehr Geschäft hätten.

    Mehr Geschäft wird es aber nur mit einer stärkeren Einbindung Deutschlands in die diversen Kriege geben. Deshalb muss die Meinung gemacht werden das ein Krieg gegen diesen Iran gut ist. Solange Mohn/Bertelsmann steuerfrei über seine Stiftung Politik im Familieninteresse machen kann, ist nicht damit zu rechnen, das aus diesem Bereich Wahrheit gemeldet wird. Es sei denn die Wahrheit ist bedeutungslos.

    http://www.duckhome.de/tb/archives/3038-Ein-Sieg-muss-her-ein-Koenigreich-fuer-einen-Sieg.html

  2. lupe

    “Dazu stellt der Journalismus Fragen und sucht nach Antworten darauf. Guter Journalismus stellt gute Fragen. Schlechter Journalismus stellt Dusselfragen, was gar nicht so schlimm ist, nur viel mehr Zeit kostet…”

    Seien Sie Sie nicht so nachsichtig mit den Spiegleronen. Lesern die Zeit zu stehlen, ist eine Unverschämtheit.
    Ich meine übrigens, dass Journalisten Fragen unbedingt beantworten müssen. Fragen stellen kann ich mir allein.

  3. tyler durden

    Was mich immer wieder wundert ist, dass man das Offensichtliche nicht sieht. Sollte der Iran eine Atombombe bauen wollen, so wohl kaum um Israel damit anzugreifen, denn das hätte natürlich ein Desaster zur Folge.
    MIt einer Atombombe kann man aber einen Erstschlag von Israel/USA vermeiden, da die Drohung anschliessend die eigene zu benutzen zur Abschreckung reichen würde, siehe Nord Korea, bzw. die Alternative Iraq, der keine hatte…

  4. martin r

    Guter Journalismus stellt immer die Staatsmacht in Frage – immer !
    (Außer in Kriegszeiten, da darf er nicht.)
    Der Spiegel heißt nicht zufällig auch “Bild am Montag” !
    Aber er befindet sich in bester Gesellschaft: Alles was Rang und Namen hat
    samt Rundfunk und Fernsehen ist in den Köpfen gleichgeschaltet, es ist die
    journalistische Schere im Kopf. Die Arroganz dieser Info-Gesellschaft wird erst enden, wenn die Einnahmen aus Annoncen schrumpfen und die Absatzzahlen schwinden…im Überlebenskampf könnten einige wieder aufwachen und beißen, kratzen und bellen – aber nicht gegen die eigenen Leser.

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