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Schleichwerbung beim Spiegel nicht

Beim Spiegel gibt es keine Schleichwerbung. Jedenfalls kann man sie nicht einfach mit einer Scheinfirma platzieren. Das ist jetzt nicht allzu verwunderlich, aber wenn es doch der geschätzte Kollege, Spiegelkritik-Mitbegründer und heutige taz-Redakteur Sebastian Heiser herausgefunden hat, muss das hier wenigstens notiert werden.

Spiegel Boulevard

Der SPIEGEL-Titel beschäftigt sich diese Woche mit der BILD-Zeitung. Ich hab’s noch nicht gelesen, das Heft wartet zuhause, ausschließlich liegend verkostet zu werden, aber bei Carta fand sich in dem Zusammenhang ein interessanter Satz von Robin Meyer-Lucht*): “Bild und Spiegel sind selbstredend beides Boulevard-Medien – mit jeweils unterschiedlichem Zielpublikum. Stimmt absolut.”

*) Wir haben hier ja schon mal den schönsten Medienjournalisten Deutschlands gekürt. “R M-L” ist auf alle Fälle derjenige mit dem schönsten Namen. Einen Nur-Lucht hatten wir mal als Praktikanten. Der hieß dann nicht etwa Lurchie oder so, sondern “Lusch”. Als Redaktionssekretärin darf man ja sagen: Was ein süßes Bengelchen.

Korrekturverhalten (2): Der Spiegel

Medienjournalist Stefan Niggemeier hat vor Kurzem angeprangert, dass selbst Gegendarstellungen in Zeitungen wie dem Hamburger Abendblatt kostenpflichtig sind.
Das kann man diskutieren – und ebendies geschieht in seinem Blog. Mit einer Gegendarstellung geht man ja immer das Risiko ein, überhaupt erst auf eine Sache aufmerksam zu machen, die sonst gar nicht groß beachtet würde (wie das auch mit Zivil- und Strafprozessen ist). Daher macht es Sinn, dass Gegendarstellungen nur dort erscheinen müssen, wo auch die gegendarstellungsbegehrte Behauptung (die ja laut Presserecht objektiv gar nicht falsch gewesen sein muss) veröffentlicht wurde.
Andererseits wird natürlich weitererzählt, was man gelesen hat, und das kann dafür sprechen, eine Gegendarstellung weiter zu streuen.

Wirklich ärgerlich hingegen ist, dass von den beanstandeten Veröffentlichungen aus bei Internetpublikationen bisher kaum auf eine eingegangene und veröffentlichte Gegendarstellung verwiesen wird (wie auch auf andere Korrekturen, Leserbriefe und wichtige Aktualisierungen).

Aufgefallen war uns dies zunächst beim SPIEGEL, und dort gar nicht bei den – seltenen – Gegendarstellungen, sondern bei den Korrekturen, die die neuen Chefredakteure als Teil in der Rubrik “Leserbriefe” eingeührt hatten.

Hans-Ulrich Stoldt sagte uns dazu bereits am 5. August 2009:

“Gegenwärtig bereiten wir die Verknüpfung von Artikeln im Archiv mit Korrekturen oder Gegendarstellungen vor. Technisch und redaktionell ist das nicht so ganz einfach, weshalb es auch noch ein wenig dauern wird, bevor wir so weit sind.”

Die Praxis sieht so aus, dass der Spiegel derzeit beanstandete Beiträge verschwinden lässt. Dass sich Eigen– und Fremdkorrekturhinweise dann auch noch an unterschiedlichen Stellen befinden, macht die Sache nicht übersichtlicher.

Korrekturen finden in der Online-Ausgabe zumindest nicht durchgängig statt. So gab es in der Ausgabe 40/2010 einen Kasten mit Korrekturen zu fünf Beiträgen. Dabei wird der Artikel “Revolver in Rosa” aus Nr. 37/2010 in zwei Punkten berichtigt. Da heißt es: “Der erwähnte Amoklauf fand nicht ‘ein paar Meilen entfernt von der Messe’ an der Virginia Tech im benachbarten Manassas, sondern im 250 Meilen entfernten Blacksburg statt.” Das wäre uns zwar womöglich auch nur eine “Korinthe” wert gewesen, aber wenn’s doch falsch ist, sollte man es korrigieren. Auf spiegel.de findet man jedoch weiterhin:

Nur ein paar Meilen sind es von der Messe in Chantilly zur Universität Virginia Tech, wo vor über drei Jahren einer der schlimmsten Amokläufe in der US-Geschichte stattfand. Ein Student erschoss damals 32 Kommilitonen mit seinen beiden halbautomatischen Pistolen. (pdf-Version)

Auch nicht hilfreicher ist es freilich, wenn die Gegendarstellung zu einem Artikel, der online nicht beim Spiegel und sonst nur über dubiose Quellen verfügbar ist, im Web-Archiv steht.

Fotografie: Titelbusen diesmal nur innen

Soll es besondere Unabhängigkeit zeigen oder welche Politik steckt dahinter, dass der Spiegel ein Thema über den Partner Stayfriends konstruiert, ins eigene Heft und in Kollegenblätter hebt?

Die Meldung von Seite 101 der aktuellen Ausgabe (40/2010) findet sich fast wörtlich auch bei Welt: das Online-Netzwerk Stayfriends lässt nach eigenen Angaben “20 000 Schulen in ganz Deutschland fotografieren – ohne vorher um Erlaubnis zu fragen Erst im Nachhinein wolle man die Fotos von den Schulleitern autorisieren lassen…”

Dabei schreibt der Spiegel selbst nachfolgend, dass am Fotografieren rechtlich überhaupt nichts auszusetzen ist. Niemand muss solche Bilder autorisieren – das wäre ja noch schöner.

Bleibt, dass in Münster ein Styfriends-Fotograf unangenehm aufgefallen sein soll. So what. Macht der Spiegel künftig auch zu jedem Lehrer eine Meldung, der irgendwem “Gewalt androht”? Ganze Schülerzeitungen sind mit entsprechenden “Stilblüten” gefüllt.

Apropos Foto: Dass Marilyn Monroe missliebige Fotos von einem dreitägigen Shooting, bei dem sie meist “nackt und betrunken” war, mit Nagellack durchgestrichen hat, ist wohl als Auswahlkriterium gedacht gewesen, damit posthum auf das Spiegel-Cover zu kommen. So haben es die Hamburger zumindest interpretiert.

Lesebeute: Spiegel ahnungslos bei Goethe und Jugendgewalt

* Wegen der (angekündigten) Betriebsferien erst heute ein Verweis auf die Korinthen-Kritik: Der Umblätterer befürchtete, im Spiegel dieser Woche einen Korrekturkasten zu vermissen, dessen Inhalt er gratis feilbot. Und so ist’s gekommen.  Daher hier das Korrekturangebot:

“Die ALDI-Europakarte auf S. 67 (im SPIEGEL 31/2010) stimmt nicht ganz, ALDI-Suisse ist Expansionsgebiet von ALDI-Süd, nicht -Nord. Und weil wir grad dabei sind, noch eine Korinthe zur Titelgeschichte der vorvorletzten Ausgabe (Nr. 29, S. 61): »Über allen Gipfeln ist Ruh …« a.k.a. »Ein Gleiches« ist nicht wirklich ein »Altersgedicht Goethes«, wie Susanne Beyer schreibt, der Dichter war da 31 Jahre und hatte noch 51 weitere zu leben, also na ja.” (Verlinkungen von Spiegelkritik)

* Denkmalbauer Stefan Niggemeier:

“Bei „Spiegel Online” wird sie noch gepflegt, die alte journalistische Untugend des Überschriften-Stabreims. Mit diesem Eintrag möchte ich dem unbekannten Alliteraten in der Redaktion ein Denkmal setzen.” –> Zur Alliterations-Kritik.

* Jugendfreizeiten werde es in der bisherigen Form künftig nicht mehr geben, trötete der SPIEGEL in Ausgabe 30/2010 in einem langen Text über die jugendlichen Gewalttaten auf Ameland. Dumm und dünn findet Timo Rieg diesen Beitrag offenbar, ohne seiner Kritik diese wunderschöne Alliteration verliehen zu haben.

Was ist gewonnen, wenn künftig die jährlich “über 50.000 Ferienreisen für Kinder und Jugendliche mit weit über 1,5 Millionen Teilnehmern” nicht mehr möglich sein sollten, weil “die verschärften Vorgaben […] die meisten Anbieter überordern [dürften]“? Berichte über Osnabrücker Ghetto-Kids, die nicht nach Ameland reisen dürfen, könnte der Spiegel auch diesen Sommer schon schreiben. Allein auf dem Silbertablett staatsanwaltschafltlicher Ermittlungen dürfte sich da auch für Osnabrücker Zeitvertreib Jugendlicher einiges finden lassen.

* Albrecht Müller findet  Spiegel online “immer unerträglicher”.  Weil in einem Artikel Ausländer als Arbeitnehmer gefordert werden und in einem anderen ein wirtschaftsboom herbeigeschrieben wird. So ungefähr.

Spiegel zerstört Existenzen

Wenn der Spiegel mit seinen Prophezeiungen zu Al Gore und Kachelmann ähnlich erfolgreich ist wie mit seinem sturmgeschützigen “Aufhören!”- und “Der bessere Präsident”-Titeln soll’s gut sein.
Ansonsten ist die permanente Beschwörung, die eigene Verdachtsberichterstattung zerstöre Menschenleben, reichlich perfide. Zum Fall Kachelmann hieß es im Print-Spiegel:

“Ohne einen Freispruch erster Klasse, wegen erwiesener Unschuld, wird er wohl nie wieder auftreten können. […] Es geht also um Existenzen.”

Heute wissen die Online-Kollegen über Al Gore:

“Der Nobelpreisträger dementiert heftig – sein Ruf dürfte trotzdem ruiniert sein.”

Mit dieser Zwangsläufigkeit argumentieren schon sehr erfolgreich die Zensuranwälte und verhindern Verdachts- und Ermittlungsberichterstattung. Dabei haben es die Medien sehr wohl in der Hand dafür zu sorgen, dass nicht immer und automatisch “etwas hängen bleibt”. Dass dieser Eindruck häufig besteht, liegt schlicht an der Tatsache, dass Fälle eben oft nicht vollständig geklärt werden können. Dann ist es manchmal SChicksal, manchmal auch nur recht und billig, wenn man sich an diese ungeklärten Geschichten auch später noch erinnert. Gegen wen aber Vorwürfe zu unrecht erhoben wurden, der muss zumindest von den Medien natürlich vollständig rehabilitiert werden. Und genau das haben sie in der Hand.

Lesebeute: Def. Medienjournalismus

“Medienjournalismus.  Schon das Wort belustigt Begriffsstutze wie Henryk M. Broder, weil sie so tun, als wäre es analog zu Zeitungs-, Fernseh- und Onlinejournalismus gebildet und stelle also eigentlich einen Pleonasmus dar. Dabei steht es in einer Reihe mit Sport-, Politik- oder Wirtschaftsjournalismus; der erste Wortteil bezeichnet nicht das Medium, sondern seinen Gegenstand.

Doch die scheinbare Doppeldeutigkeit des Wortes zeigt auch das Spezielle an der Arbeit als Medienjournalist, das Dilemma beim Schreiben in den Medien über die Medien. Fast jeder Text ist zwangsläufig ein Text über ehemalige oder potentielle zukünftige Auftrag- oder Arbeitgeber, über direkte Kollegen oder Konkurrenten. Fast jeder medienjournalistische Text steht somit unter dem Generalverdacht einer Interessenskollision, eines Kalküls jenseits journalistischer Kriterien.

Ich nehme an, dass diese Situation auch den Medienjournalisten beim „Spiegel” nicht fremd ist. Was ihnen aber offenbar fremd ist: Dass ein journalistisches Leben außerhalb der „Spiegel”-Redaktion existiert. Dass es Journalisten gibt, sogar Medienjournalisten, die nicht angestellte Redakteure sind, mit festem Gehalt und Einbindung in eine Hierarchie, sondern frei arbeiten, und das sogar freiwillig, nicht aus Not.”  (Stefan Niggemeier, anlässlich einer rätselhaften SPIEGEL-Meldung)

Schwatzbudenjournalismus

Die Medien haben es mal wieder geschafft. Wie immer. Sie bekommen ihre Sendungen und Seiten voll, und erschreckenderweise interessiert sich immer noch jemand dafür.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Regelsätzen hatte Guido Westerwelle am 11. Februar in der Welt einige  Aschermittwoch-Parolen abgesonders: Die Jugend müsse lernen, “dass Leistung keine Körperverletzung ist” und: “Die Diskussion nach der Karlsruher Hartz-IV-Entscheidung hat sozialistische Züge.”

Die Medien haben daraus eine Fortsetzungs-Story gebastelt, die ihren Höhepunkt im Spiegel-Titel von morgen findet. Um es höflich zu formulieren: Habt ihr noch alle Tassen im Schrank?

Ein journalistisches Thema?

Dass sich ein Berufspolitiker äußert, ist nun wahrlich nicht ungewöhnlich – es ist ja quasi das einzige, was er überhaupt macht. Manchmal mag er auch irgendwem zuhören, ganz selten auch etwas zu versehen bemüht sein, aber in aller erster Linie sondert er ab – und konfrontiert damit auch (und oft ausschließlich) den Medienbetrieb.

Es gibt viele Begriffe für sogenannte “Nachrichtenkriterien”, aber letztlich lassen sich alle wesentlichen unter einer Frage zusammenfassen: Ist das, was es zu berichten geben könnte, relevant? (Auch die vermeintlich eigenständigen Kriterien wie etwa Neuigkeit, Kuriosität oder Unterhaltungswert müssen immer ihre Relevanz behaupten, wenn bei der Nachrichtenproduktion nicht schlicht das Zufallsprinzip herrschen soll – was auch ein durchaus spannender, aber bisher öffentlich nicht vertretender Ansatz wäre.)
Jedenfalls wird man unabhängig von eigener Parteipräferenz, unabhängig von Alter, Geschlecht und Schwere des Dachschadens kaum Anzeichen von Relevanz in Westerwelles Beitrag finden können. Den Verwertungsorganen des Springer-Verlags sei die ökonomische Relevanz zugestanden, in kleinen Meldungen darauf zu verweisen, der FDP-König habe in der Welt etwas vom Stapel gelassen. Damit sollte es aber dann auch gut sein. Weil:
– In Westerwelles Text steht nichts Neues.
– Westerwelle bringt keinerlei Kompetenz für das Thema mit, weder originäre noch formelle.
– Sein Wortgetöse sollte ihm schon ein mittelprächtig talentierter Redaktions-Praktikant um die Ohren hauen können (aber es eben wegen mangelnder Relevanz beim Vermögen belassen): dass ausgerechnet einer der ganz fetten “Bezieher von Steuergeld” beklagt, es gebe “niemanden, der das alles erarbeitet” und als hauptberuflicher Leistungsverweigerer von lohnender Leistung schwadroniert, mag einen Schmunzeln oder Kopfschütteln machen, in jedem Fall aber nicht auf die Spur bringen, hier habe gerade ein heller Kopf Erhellendes zur Lage der Nation gesagt.
Westerwelles Beitrag wird selbstredend auch nicht dadurch relevanter, dass sich in der Folge dutzende andere berufliche Sprachabsonderer nach vorne drängeln. Für all dies gibt es eine aus (oder mit, wie uns zunehmend dünkt) Steuergeldern gut beheizte Einrichtung, die man bei Welt-Online nicht “Schwatzbude” nennen darf.
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