Fliegenschissjournalismus

Der Drang vieler Journalisten und fast aller ihrer Medienbetriebe zur Skandalisierung ist wirklich in gesundheitsgefährdendem Ausmaß eklig. Obwohl es ja zur Routine von uns Medienkonsumenten gehören müsste, diese billigen Inszenierungen rein um des eigenen publizistischen Vorteils willen zu ignorieren, treibt mir jede dieser Schwachsinnsaktionen den Puls in die Höhe. Weil es so billig  ist. Weil es so unjournalistisch ist. Weil es desinformiert anstatt aufzuklären. Und weil ich mich mit den Menschen, die Medienskandale vorantreiben, nicht gemein machen möchte.

Nun wäre mir das Ignorieren heute fast gelungen, ich hatte nach dem ersten Kontakt mit dem Stichwort “sieben Plagen” alle Spam-Filter gesetzt, – aber  dann penetrierte mich ausgerechnete Deutschlandfunk Kultur mit dieser Aufmachung:

Ein eigener Beitrag. Mit einem Zitat der CDU-Vorsitzenden. Aber nicht, um das Gesagte zu vermitteln, nämlich dass Annegret Kramp-Karrenbauer die Union für Dinge verantwortlich gemacht sieht, die sie sich nicht zurechnen lassen möchte. Sondern um aus dem Klugscheißermodus heraus einen “Sturm der Entrüstung” im Netz zu erzeugen, über den man dann als “Shitstorm” berichten kann. 

“Ich habe mich gefragt, warum wir nicht eigentlich auch noch verantwortlich sind für die sieben Plagen, die es damals in Ägypten gab.”

Soll Kramp-Karrenbauer bei einer Wahlkampfveranstaltung in Kiel gesagt haben.

Damit die Leser diese Entgegnung zum “Rezo”-Video nicht so verstehen, wie “AKK” sie gemeint hat und wie jeder ohne Niedertracht sie verstehen würde, fügt der Kulturfunk hinzu:

“Dabei ist im Alten Testament doch von ZEHN Plagen die Rede?”

Und schon darf sich jeder feixend auf die Schenkel schlagen ob der großen Dummheit der Vorsitzenden jener Partei, deren Zerstörung doch gerade Youtube-Prediger “Rezo” verkündet. Und dieses Feixen wird natürlich öffentlich zelebriert, denn es dient ja ethologisch dazu, sich dem richtigen Führer zu unterwerfen und damit seinen Schutz zu genießen.

Was sollte die journalistische Leistung an diesem Facebook-Post oder an aller sonstigen “Berichterstattung” zu den sieben statt zehn Plagen? Ist das auch nur einen Funken bedeutsam? Und hielte man es für bedeutsam, müsste man dann nicht nachfragen, die Möglichkeit eines Versprechers, einer Verwechslung, einer Gedankenlosigkeit seriös recherchierend einpreisen?

I wo! Eine solche Vorlage lässt sich auch ein Kultursender nicht von Kultur kaputtmachen. Heute einer Politikerin für Nichts auf die Fresse hauen, morgen die Respektlosigkeit der Bürger gegenüber der politischen Klasse beklagen – das funkt sich doch alles ganz von alleine.

Aus Nichts eine Meldung machen, aus der Reaktion auf die Meldung dann eine ganze Serie – das ist definitiv nicht Journalismus, sondern Unterhaltung, wenn es nur kommerziell erfolgt, und Propaganda, wenn damit auch noch irgendeine Reaktion bezweckt wird. In jedem Fall ist es widerlich – und sicherlich mit ein Grund, warum überhaupt über das “Rezo”-Video gesprochen wird: weil die Medien schlicht ihren Job nicht machen.

Siehe auch: Weitere Journalismen

2 Gedanken zu „Fliegenschissjournalismus

  1. Pingback: Leberwurst-Journalismus und andere Journalismen – SpiegelKritik

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