Wir bestochenen Journalisten

Es wäre die investigativste Story, seitdem der Helgoländer Vorbote die besten Zwischenrufer des Deutschen Bundestags gekürt hat. Denn vermutlich würde nicht nur ein kleiner Bescheißerladen hochgehen, sondern ein ganzes korruptes Fast-Food-System gesprengt. Was ist schon Pferdefleisch in einer Bolognese-Soße im Vergleich zu unserem Fund: Mc Donald’s “Chicken Mc Nuggets” in einer weißen No-name-Verpackung “Chicken Nuggets”, frei Haus von einem Pizzabringdienst geliefert, der keine Pizza im Sortiment hat?

Zur raffinierten Tarnung wurde die Mc Donald’s Soße durch eine der Firma Heinz ersetzt, wie es sie bei Burger King gibt.

Doch journalistische Trüffelschweine lassen sich davon nicht in die Irre führen und ihre unbestechlichen Recherchezungen und -nasen haben das Geschäftsmodell gehackt: Mit den “Friss-zwei-zahl-eins” Coupons für das 20er Pack Mc Nuggets kommt man auf einen Einkaufspreis von rund 25 Cent pro Stück. Aufgewärmt und umverpackt geht das Ganze dann in kleinen 6er Portionen á 3,90 EUR zum ahnungslosen Kunden, der sich bei einer kleinen, nachhaltigen Nugget-Manufaktur wähnt – Stückpreis nun also 65 Cent.

Dass dies nur die eisige Spitze eines vorwiegend noch in den Tiefen des Fast-Food-Sumpfes liegenden Skandalbergs ist, ahnen die ausgebufften Redakteure sogleich. Hatte nicht gerade erst ein Regierungspräsidium angekündigt, strengere Kontrollen in Imbissbuden durchzuführen, um den Prellern der Dosenpfandpflicht das Handwerk zu legen? Niemand im Recherche-Team wundert sich, dass die “Softdrinks” ihres Pizza-Taxis aus Polen stammen und damit pfandfrei sind.

Doch zur sensationellen Betrugsaufdeckung kommt es nicht. Wie der tägliche Ärztepfusch, beamtete Knalltüten an deutschen Lehranstalten und Schlupflöcher im Steuerrecht verschweigen wir Journalisten alles, was öffentlich gemacht unser eigenes Wohlergehen gefährden könnte. Auch harte Journalistenjungs haben Angst vorm Doktor und wollen niemals in die Situation geraten, nackt auf dem OP-Tisch liegend von einem der Operateure oder gar dem Narkosearzt erkannt zu werden als “das ist doch der, wo uns Halsabschneiderei bescheinigen wollte”, weil sich da anschließen könnte “na dem wollen wir doch mal zeigen, was wir alles abschneiden können.”

Und dieser Mc Donald’s Subunternehmer ist nunmal der einzige Lieferdienst, der halbwegs kompatibel zu unseren Kreativzeiten arbeitet. Nein, wir werden ihn nicht verpfeifen. Höchstens mal über den Preis der Nuggets verhandeln. Zumal es ja im Rahmen des Möglichen – schmeckt.

(Fred Steinhauer)

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