Unwahres Halbzitat


“Sicherungsverwahrung ist eine Schande” wird in einem Kommentar bei indymedia, dem “multimedialen Netzwerk unabhängiger und alternativer Medien, MedienmacherInnen, engagierter Einzelpersonen und Gruppen”, als Zitat Kurt Tucholskys aus dem Jahr 1920 ausgegeben. Das ist – fahrlässig oder vorsätzlich – falsch. Das Vier-Wörter-Fragment stammt aus Tucholskys Text “Die Sicherungsverwahrung” – veröffentlicht im Dezember 1928. Darin heißt es allerdings:
“Der Kuhhandel: hie Todesstrafe – hie Sicherungsverwahrung ist eine Schande.”

Die Schande ist also der Kuhhandel. Inhaltlich spricht sich Tucholsky zwar deutlich gegen die Einführung einer Sicherungsverwahrung aus – doch man sollte sich schon die Mühe machen, seine Argumentation zu lesen, um den Autor in die gegenwärtige Diskussion einzubringen. Kurt Tucholsky ging es ganz offensichtlich um die Gefahr, auf Grund einer solchen neuen Rechtslage könnte die Politik missliebige Personen auf unbestimmte Zeit einsperren. Gegen den Schutz der Bevölkerung vor Gewalttätern hatte der Jurist Tucholsky nichts einzuwenden. In “Deutsche Richter” sagt er 1927 sehr markant:
“Es gibt kein staatliches Recht des Strafens. Es gibt nur das Recht der Gesellschaft, sich gegen Menschen, die ihre Ordnung gefährden, zu sichern.”

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