Archiv für den Tag: 5. Februar 2009

Recherche muss honoriert werden

Journalismus ist nicht nur Berichterstattung und Kommentar in vielfältigen Darstellungsformen, Journalismus ist vor allem auch Nicht-Berichterstattung und Nicht-Kommentar in keiner Darstellungsform. Informationsverdichtung, Selektion von Unwichtigem, Konstruktionen von Wirklichkeit… – es gibt viele Schlagworte zu dieser Achillesferse des Journalismus: was ist relevant, was nicht – was kommt über die Medien in die Öffentlichkeit, was bleibt unbeachtet?
Schulzki-Haddouti.jpegSpiegelkritik sprach darüber mit Christiane Schulzki-Haddouti. Die freie Journalistin arbeitet vor allem über Medien- und Technik-Themen und betreibt den Kooptech-Blog unter. Seit 2000 ist sie Jurymitglied in der Initiative Nachrichtenaufklärung (INA), fünf Jahre leitete sie Rechercheseminare an den Universitäten Dortmund und Bonn.

SpKr: Die Initiative Nachrichtenaufklärung kürt jedes Jahr zehn vom deutschsprachigen Journalismus vernachlässigte Themen, das nächste Mal am 17. Februar. Mehr Wichtiges bleibt uns nicht verborgen?

Schulzki-Haddouti: Jedes Jahr sehen wir eine ganze Reihe von Themen, die zwar gesellschaftlich relevant, aber dennoch aus verschiedenen Gründen vernachlässigt wurden. Ich bin gespannt, auf welche Themen sich die Jury in diesem Jahr einigt.

In den USA kommt regelmäßig eine Liste von 25 Themen zusammen. Bei INA werden nicht so viele Themen eingereicht – es sind so etwa 150 pro Jahr. Diese Themen werden von Journalistik-Studenten recherchiert und am Ende werden etwa 20 Themen einer Jury vorgeschlagen, die dann die “TOP 10” festlegt.

Eines der am meisten vernachlässigten Themen des vergangenen Jahr waren ja Menschenrechtsverletzungen in China – im Zuge der Olympischen Spiele wurde dann über einiges berichtet. Doch über die vielen Gefangenenlager weiß man – aus nachvollziehbaren Gründen – bis heute zu wenig.

SpKr: Und die Medien laufen hernach rot an vor Scham, dass sie so wichtige Dinge übersehen haben?

Schulzki-Haddouti: Die Reaktionen sind leider sehr verhalten. Die Kollegen berichten nur selten über die Initiative; man kann schon froh sein, dass das Ergebnis kurz vermeldet wird (siehe dazu ausführlich in Kooptech). Aber es wird praktisch nie als Anstoß für eigene Recherchen genutzt. Etwa die Geschichte über den Grünen Punkt: Hier hatten wir eine ganze Latte von Rechercheansätzen aufgezeigt, aber es hat ein paar Jahre gedauert, bis der WDR der Sache nachgegangen ist, und das nur in Ansätzen. Man hätte da sehr viel daraus machen können.

SpKr: Das beklagen auch investigative Journalisten wie Jürgen Roth, der sich wundert, dass gerade auch in der Regionalberichterstattung kaum an den vielen Informationen in seinen Büchern weitergearbeitet wird. Sind die Journalisten zu dusselig dafür, zu faul oder woran liegt es? Weiterlesen