Archiv für den Monat: März 2008

Einseitige Israel-Berichterstattung

Ein Kommentar zu Christoph Schult, Nahost:Das Leide n der Anderen. DER SPIEGEL 11/2008 vom 10.03.2008, Seite 122
von Anis Hamadeh

Eine Palästinenserin aus Gaza wird in einem israelischen Krankenhaus gerettet, das ist die Story dieses Spiegel-Artikels und es ist einer dieser Moralartikel. Seht, wie nett Israel in Wirklichkeit ist und ihr Araber bedroht die Zivilisten! Seht, selbst die Palästinenser, die es am eigenen Leib spüren, sie verstehen Israel. Die Sympathie des Lesers wird so auf den Judenstaat gelenkt, aus historischen Gründen. Wegen Dingen, die mit der deutschen, mit unserer Geschichte zu tun haben. Wir!

Die Palästinenser hingegen benötigen keine Spazierfahrten über die Grenze, um Gewalt am eigenen Leib zu spüren, sie leben unter Besatzung. (Oh, gibt es da Besatzung?) Bei sich zu Hause leben sie viel unsicherer. Solche Tatsachen allerdings stören die Dramaturgie der Nahostartikel, für die der Spiegel leider berüchtigt ist. Kaum ein Gebiet, wo das Blatt sich in der Meinung einer beträchtlichen Anzahl potenzieller Leser stärker diskreditiert als dieses. Platt wie Flundern kommen die Spiegler plötzlich daher, wo sie sonst alles ganz genau wissen wollen. Und am Tiefpunkt der Skala lauert Herr Broder mit seinen Berichten von Jenseits der Rechtstaatlichkeit (siehe www.anis-online.de/1/essays/21.htm).

Tatsächlich gibt es eine Menge Zeitungsleser, die Seine Majestät den Spiegel wegen seiner manipulativen Nahost- und Islam-Artikel nicht als seriös einschätzen und ihn möglichst nicht zitieren, es sei denn in einer Medienkritik, weil oft genug unfair berichtet wird und ideologisch.

Offenheit bei Zitatübernahmen schützt

“Selbstüberwachung schützt vor Fremdüberwachung” lautet eine These von Helmut Merschmann. Um sie zu entfalten, erzählt der freie Journalist aus zwei verschiedenen Leben: aus dem von einem freiwilligen Truman, der sich ein Jahr lang selbst mit der Webcam begleitet und dies auf seiner Website zeigt, und aus dem von einem Paar, das seit Monaten von der Polizei überwacht wird.
Zumindest mit den Menschen aus diesem unfreiwilligen Überwachungsleben hat Merschmann für seinen Artikel nicht gesprochen. Das ist bei einem solchen Stück schon recht ungewöhnlich. Wenn dann von unerwähnter dritter Quelle Zitate übernommen werden, sollten sie auch als solche kenntlich gemacht werden.

Ironie, erzählt sie, verbitte sich am Telefon: “Das verstehen die Ermittler nicht.”

Klingt, als sei es im Gespräch mit dem Autor gefallen. Ist es aber nicht. Vielleicht auf einer der recht zahlreichen Veranstaltungen. Es wäre fair, die Herkunft deutlich zu machen.

Mit Dank an Klaus Müller.
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Die gelbe Gefahr

„Chinesen überschwemmen Deutschland mit Solarzellen“, schlagzeilt SpOn. Abgesehen von der unfreiwilligen Komik des hier verwendeten Bildes – auch der zugrunde liegende Artikel versucht mal wieder krampfhaft China-Angst und Solarphobie beim Spiegel zu bedienen.

So heißt es auf Basis „exklusiv vorliegender“ Zahlen des Branchenblatts Photon bei SpOn unheilschwanger: „China hat Deutschland bei der Solarproduktion überholt und liegt nun erstmals auf Platz eins. Jahrelang galten die deutschen Ökofirmen als weltweit führend. Diese Zeiten sind vorbei.“ Der Marktatanteil der chinesischen Firmen sei von 15 auf 28 Prozent gewachsen, während der Anteil deutscher Unternehmen bei 20 Prozent verharre. Zudem kämen inzwischen sieben der zehn größten Solarzellenhersteller aus Asien. Folge, so SpOn: Der „Niedergang der Solarindustrie in Deutschland“.

Das ist natürlich grober Unfug. Aus dem Halten eines Marktanteils von 20 Prozent bei stark steigenden Produktionszahlen kann man nun wahrlich keinen Niedergang schlussfolgern; tatsächlich haben auch deutsche Solarfirmen kräftig bei der Solarproduktion zugelegt. Abgesehen davon, dass Deutschland bei der Solarproduktion auch zuvor schon nicht mehr führend war, sondern Japan.

Interessant zudem die Ursachenforschung, die SpOn angesichts der vermeintlichen gelben Gefahr betreibt. Schuld ist nämlich das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und seine Förderung von Solarstrom: „Die EEG-Gelder kommen immer seltener deutschen Firmen zugute. Die größten Hersteller von Solarzellen sitzen mittlerweile in Asien – und sie überschwemmen den deutschen Markt mit ihren Produkten.“ So werde „gerade mal die Hälfte der Nachfrage (.) mit inländischer Ware gedeckt, Profiteure des EEG sind ausländische Firmen.“ Tenor also: Der deutsche Steuerzahler finanziert den Aufstieg der chinesischen Solarindustrie gegen die heimischen Firmen.

Nun kann man an den üppigen Förderungsbedingungen des Erneuerbare-Energien-Gesetz sicher einiges kritisieren, aber nicht, dass diese Förderung auch ausländischen Firmen zugute kommt. Ziel des Gesetzes ist nämlich nicht der Schutz der heimischen Solarindustrie, sondern eben eine möglichst weitgehende Förderung von erneuerbaren Energien, darunter Solarstrom. Gefördert wird somit auch die Nachfrage nach Solarzellen, selbst wenn diese nur aus dem Ausland gedeckt werden kann.

Fazit: Statt halbwegs gründlicher Analyse, ein echter SpOn-Chinaböller.

Korinthe (59): Hitzfelds Trainerzeit bei Borussia Dortmund

Ein Gastbeitrag von Patrick Meiß

Unter der Überschrift “Ribéry und Klose schießen Bayern nach Berlin” (wo ist da der Artikel “die” vor dem Wort “Bayern” geblieben? Bier holen?) stellte SPON folgendes fest:

” ‘Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit Dortmund’, sagte Hitzfeld, der sieben Jahre Trainer der Borussia war: ‘Es wird ein ganz besonderes Spiel.’ “

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Ottmar Hitzfeld war zwar für Dortmunder Verhältnisse recht lange als Trainer beim BVB – tatsächlich waren es leider jedoch “nur” sechs Jahre. Nämlich von 1991 bis 1997. Nach dem CL-Gewinn trat er zurück und wurde zum Sportdirektor “hochgelobt”, diesen Posten bekleidete er ein Jahr lang, ehe er sich 1998 den Bayern anschloss. Oder wollte der SPIEGEL Herrn Hitzfeld unterstellen, dass er in seinem Jahr als Sportdirektor weiterhin die “Geschicke” der Mannschaft lenkte und der damalige Trainer Nevio Scala nur eine Marionette war? Unvorstellbar, das sollte auch einem SPON-Redakteur einleuchten. Spätestens dann, wenn man sieht, auf welchem Tabellenplatz der BVB 1998 landete. Nämlich auf einem erbärmlichen 10. Platz (Quelle: Fußballdaten). Nein, das kann kein Ottmar Hitzfeld verursacht haben.

Anmerkung: Ich vermute, dass SPON aus Hitzfelds Aussage der ARD gegenüber: “Ich hatte erfolgreiche 7 Jahre beim BVB” (sinngemäß, direkt nach dem Pokal-Halbfinalspiel der Bayern gegen den VfL Wolfsburg) ganz einfach den Schluss gezogen hat, dass es sich hierbei nur um 7 Jahre als Trainer gehandelt haben kann. Tjaha, denkste! Als Sportjournalist sollte man es besser wissen oder mal recherchieren! Sooooo lange ist das ja nun auch noch nicht her. Peinlich, peinlich…

500 Festnahmen in nur einem Satz

Ein Gastkommentar von jm

In Brüssel wurden am 22. März (Ostersamstag) 500 „Friedensaktivisten“ festgenommen. Oder 450. Oder 150. Oder einige Dutzend. Genaueres weiß man nicht, wenn man die wenigen Meldungen der „Qualitätsmedien“ zu einer Demonstration vor dem Nato-Gelände liest. Auch nicht dazu, ob es nun 1000, 700 oder 500 Demonstranten waren, die auf das Gelände „vordringen“ wollten.

Der Spiegel, für die großen Themen zuständig, entscheidet sich natürlich für die Höchstwerte, allerdings ohne seine Quelle preiszugeben. Warum auch? Die 500 Festnahmen am Machzentrum der Europäischen Union sind dem einstigen Sturmgeschütz der Demokratie jedenfalls keine eigene Meldung wert, nur zwei Sätze in einem Überblicksartikel zum Thema „Regierungspolitiker starten Rückzugsdebatte“.

Vielleicht hätten sich die „Aktivisten“ besser in den USA festnehmen lassen sollen: Die 200 Festnahmen bei den dortigen Protesten gegen den Irak-Krieg drei Tage zuvor schafften es immerhin in den Vorspann eines längeren Texts zum Thema.

Claus Kleber will weiter nix vom Spiegel

Die Selbstironie an der Spiegel-Eigenwerbung mit Claus Kleber ist doch gelungen: “Dieses Angebot vom SPIEGEL nehme ich gerne an” bewirbt der ZDF-Moderator derzeit Spiegel-Wissen, diesen etwas diffusen Informations-Auswurf. Und hat das Angebot natürlich schon wieder nicht angenommen. Nachdem er im Dezember abgelehnt hatte, Chefredakteur des Blattes zu werden, wollte er nun (letztlich) nicht für Spiegel-Wissen werben. Denn wie Michael Hanfeld in der FAZ schreibt, ist die Werbung wider Klebers Willen im Spiegel wie auch in externen Magazinen geschaltet worden.

Das ZDF und Kleber haben den Werbeauftritt nicht genehmigt. Das sei schon „ungewöhnlich“ heißt es auf Anfrage beim Sender. „Zwischen Schmunzeln und Irritation“ bewege sich die Gemütslage an der Spitze des ZDF.

Schreibt Hanfeld. Der Spiegel habe den Fehler auf Nachfrage eingeräumt und soweit möglich die Anzeigenkampagne gestoppt.

Bedenkliche Spiegel-Kooperation?

Offener Brief an DER SPIEGEL bezüglich Ihrer Kooperation mit dem russischen Fernsehjournalisten Michail Leont’ev
von Dr. Andreas Umland

Betr.: Die russische Zeitschrift Profil’ – DER SPIEGEL und ukrainische Zeitschrift DER SPIEGEL – Profil’
Kiew, 21.2.08

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielleicht könnte folgender Hinweis an die bei Ihnen hierfür zuständigen Redakteure bzw. Geschäftsführer weitergeleitet werden:

Der Präsentation der russischen und ukrainischen hochauflagigen Journale Profil’ auf dem WWW (http://www.profile.ru/) und den Vorderumschlägen der Printausgaben nach zu urteilen, gibt es eine Zusammenarbeit dieser Zeitschriften mit DER SPIEGEL. Auch drucken die Zeitschriften regelmäßig russische Übersetzungen Ihrer Beiträge ab – mit Ihrem Einverständnis, so muss vermutet werden. Ist dies tatsächlich der Fall? Wenn nicht, sollten Sie gegen die Verwendung Ihres Logos und Ihrer Texte durch Profil’ vorgehen.

Falls Sie tatsächlich mit Profil’ zusammenarbeiten: Der derzeitige Chefredakteur beider Magazine ist der bekannte russische Fernsehjournalist Michail Leont’ev. Mich wundert, dass DER SPIEGEL mit dieser Person eine Kooperation eingegangen ist und den Namen sowie das Logo von DER SPIEGEL für diese beiden (und womöglich noch weitere, mir unbekannte) Projekte Leont’evs zur Verfügung stellt. Leont’ev gilt als Lieblingsjournalist Putins und ist ein fanatischer russischer „Patriot“, der mit Fernsehsendungen wie Odnako (Allerdings) seit Jahren eine allwöchentliche Dämonisierung der USA und neuerdings auch Großbritanniens sowie Schürung von Vorurteilen gegenüber der europäisch-amerikanischen Welt allgemein betreibt. In politischen Diskussionssendungen redet er sich regelmäßig in antiwestliche Rage. 2001 war er Gründungsmitglied des Zentralen Rates von Aleksandr Dugins radikal antiwestlichen Bewegung „Eurasien“. Zu dieser Bewegung: “Toward an Uncivil Society? Contextualizing the Recent Decline of Extremely Right-Wing Parties in Russia,″ Weatherhead Center for International Affairs Working Papers, Nr. 3, 2002, http://www.wcfia.harvard.edu/node/589.

So dürfen sich Ihre Autoren Beat Balzli, Frank Hornig, Markus Dettmer, Holger Stark und andere nicht wundern, dass sie sich als Autoren des Kiewer DER SPIEGEL – Profil’ vom 3. März 2008 (siehe S. 45-51, http://www.profile.ru/items/?item=25557, http://www.profile.ru/items/?item=25558) in der zweifelhaften Gesellschaft des genannten Aleksandr Dugin finden. Dugin publizierte in derselben ukrainischen Ausgabe Nr. 8 einen Artikel zur Kosovo-Problematik unter dem bezeichnenden Titel „Für Russland ist der Moment der Wahrheit gekommen“ (S. 22-24, http://www.profile.ru/items/?item=25545). In den neunziger Jahren bezeichnete Dugin die Waffen-SS als eine „intellektuelle Oase“ im Dritten Reich. Als Chef der sogenannten Internationalen Eurasischen Bewegung, deren Leitungsmitglied Leont’ev einst war, bedauerte er den Tod Reinhard Heydrichs, eines, wie Dugin meinte, „überzeugten Eurasiers“. Unter dem Pseudonym „Aleksandr Šternberg“ verfasste Dugin eine Ode auf Heinrich Himmler. Siehe: „Faschismus à la Dugin,“ Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 12, 2007, S. 1432-1435, http://www.blaetter.de/artikel.php?pr=2721.

Diese Beobachtungen ließen sich weiter ausführen. Unter Umständen haben die Mitglieder des Netzwerkes „Junge Osteuropa-Experten“ oder der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, an die diese Mail per CC geht, weitere sachdienliche Hinweise.

In der Ukraine, wo Leont’ev zeitweise persona non grata war, hat die Zeitschrift DER SPIEGEL – Profil’ und deren Berichterstattung bereits negative Reaktionen bei den örtlichen Journalisten hervorgerufen. Siehe z.B. Jurij Makarov, „Spokusa prostych rišen’,“ Ukrajinskyj Tyžden’, Nr. 5(13), 2008, S. 2, http://www.ut.net.ua/art/164/0/295/.

Ich kann nur davon abraten mit Leont’ev zu kooperieren. Sie müssen schlecht beraten worden sein, Ihren auch in Russland geschätzten Namen für dessen Projekte zur Verfügung zu stellen. Dies ist um so verwunderlicher, als es in Moskau inzwischen eine ganze Reihe, wir mir scheint, würdigerer, einst prominenter Journalisten gibt, die aufgrund ihrer politischen Positionen aus den zentralen Massenmedien verdrängt wurden und womöglich an einer Zusammenarbeit und neuen Projekten mit DER SPIEGEL Interesse hätten. Geeignetere potentielle Kooperationspartner in der Ukraine gibt es ebenfalls (die ich Ihnen ggf. gerne vermitteln kann).

Mit vorzüglicher Hochachtung!
Ihr langjähriger Leser
Dr. Andreas Umland
DAAD-Lektor
Nationale Taras-Ševčenko-Universität Kiew

Der Spiegel bestätigte auf Nachfrage von SpKr eine Vereinbarung zur Zweitverwertung. Da der Brief von Andreas Umland bisher unbeantwortet geblieben ist, haben wir ihn nun veröffentlicht. -Red.

“Versorgungslücke” – Energie-Lüge beim Spiegel

Ein Kommentar von Henrik Paulitz

Seit Jahrzehnten schon beschäftigen die großen Energiekonzerne Politiker, Journalisten und die interessierte Öffentlichkeit mit einer Energie-Lüge nach der anderen. Noch in den 1990er Jahren wurde behauptet und zehntausendfach in den Medien wiedergegeben, erneuerbare Energien könnten auch langfristig maximal vier Prozent zur Stromversorgung beitragen. Hunderttausende, wenn nicht Millionen Menschen glaubten diesen Unsinn. Fakt ist, dass die erneuerbaren Energien heute bereits zu 15 Prozent zur Stromversorgung Deutschlands beitragen, in Sachsen-Anhalt sind es schon mehr als 35 Prozent. Für Hessen wurde in einer aktuellen Abschätzung exemplarisch gezeigt, dass bis zum Jahr 2025 – also in nur 17 Jahren – der Strom zu 100% aus erneuerbaren Energiequellen bereitgestellt werden kann. Das Gleiche ist bundesweit problemlos möglich.

Haben die Propheten aus der Energiewirtschaft, der Politik und den Medien ihre fehlerhafte Prognose jemals offiziell korrigiert? Haben diejenigen, die diese 4-Prozent-Prognose wider besseren Wissens verbreitet haben, jemals zugegeben, dass sie die Öffentlichkeit jahrelang systematisch belogen haben?

In den vergangenen Jahren beschäftigte man die Öffentlichkeit schließlich mit einer völlig verlogenen Klimadebatte, im Zuge derer man sogar neue Kohlkraftwerke begründen wollte und suggerierte, man könne und wolle das ganze CO2 in den Untergrund Deutschlands pumpen.

Und schon geht das illustre Unterhaltungsprogramm der gezielten Desinformation in die nächste Runde: „Spiegel Online“ warnt nun panisch vor einer „dramatischen Versorgungslücke“, wenn man aus Kohle und Atom aussteigt. Auch dieser neueste Unsinn dürfte in den nächsten Monaten und Jahren mit Unterstützung gut bezahlter „Experten“ vielfach in den Medien wiedergegeben werden.

Tatsächlich aber ist die Versorgungssicherheit Deutschlands vornehmlich dadurch gefährdet, dass die Energiekonzerne noch immer auf den Import von Öl, Gas, Kohle und Uran setzen und den dezentralen Ausbau der erneuerbaren Energien noch immer nach Kräften behindern. Wegen der energiepolitischen Versäumnisse in den vergangenen drei Jahrzehnten werden nun – unter Beteiligung deutscher Soldaten – weltweit Kriege um den Zugang zu den knapper werdenden Rohstoffen geführt und andere Länder besetzt. Da war auf einer Münchener Sicherheitskonferenz bereits von einer “Energie-Außenpolitik” Deutschlands die Rede – eine Umschreibung dafür, dass man sich auch mit militärischer Gewalt den Zugriff auf Energie-Rohstoffe in Form von Lagerstätten, Pipelines, Seewegen und dergleichen sichern will.

Haben sich die Verantwortlichen in der Energiewirtschaft, in der Politik und in den Medien jemals dafür entschuldigt, dass wegen ihrer jahrzehntelangen Blockade-Politik beim dezentralen Ausbau erneuerbarer Energien die Abhängigkeit von Energieimporten noch immer extrem hoch ist und dass die weltweiten Konflikte um Energie-Rohstoffe auch aufgrund der deutschen Energiepolitik dramatisch zugenommen haben? Warum wird selbst heute dieser brand-gefährliche Kurs nicht korrigiert? In einer Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums vom Januar 2007 wurde bereits vor einem “Ressourcen-Weltkrieg” gewarnt.

Der Propaganda-Maschinerie der Industrie und vieler Medien ist dieser Kurs möglicherweise nicht unrecht – schließlich profitieren die Energiekonzerne von den steigenden Energiepreisen, die Rüstungskonzerne vom steigenden Absatz an Waffensystemen, Minen und Munition und die Medienkonzerne vom profitablen Anzeigengeschäft. Wenn der Rubel rollt, bleibt die Wahrheit vielfach auf der Strecke.

(Henrik Paulitz ist Koordinator des Arbeitsbereichs Atomenergie bei IPPNW)