Iran pfui-bäh

Meinung ist im Journalismus eine gute Sache – wenn man sich ihr bewusst. Schließlich ist alles reine Ansichtssache: Was ein Thema ist und was nicht, wie viel Raum diesen und jenem gegeben wird, ob neben X und Y auch Z zu befragen ist and so on.
Diese so sehr entscheidende Meinung nicht zu verbergen, kommt dem Selbstbestimmungsrecht des Journalismus-Konsumenten entgegen. Noch wichtiger aber ist, eine Meinung zu begründen. Nur dann machen Nachrichten Sinn. Und nur so hat hoffentlich Hanns-Joachim Friedrichs sein ewig zitiertes Berufsethos gemeint: “Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein.”

Vom Nachrichtenstandard entfernt sich Spiegel Online jedenfalls immer mehr und ist auf dem Weg, mit apodiktischen Einstufungen der Welt die taz der Gründerjahre zu übertreffen. Ein Paradebeispiel ist die Berichterstattung rund um die 15 vom Iran festgenommenen und inzwischen wieder freigelassenen britischen Soldaten.

Natürlich darf auch die SpOn Redaktion dabei jede beliebige Meinung vertreten. Nur wäre es schön, wenn sie diese wenigstens da begründen würde, wo es an Offensichtlichkeit gebricht.

Die Britischen Soldaten waren nicht einfach gefangen, sie waren – alter RAF-Slang – in “Isolationshaft”, und zwar in “steinigen Zellen”
– kein Wort darüber, dass Einzelunterbringung in diesem Stadium auch in Deutschland und außerhalb der besonderen militärischen Situation üblich, weil wesentlicher Haftgrund ist (§ 119 StPO, UVollzO Nr. 23).
Ihre Freilassung geschah in “heuchlerischer Großzügigkeit”. Iranische Regierungs- oder Behördenvertreter sagen auch nicht einfach etwas, sondern “Iran prahlt”.

Die Rede Ahmadinedschads war eine “perfide Show” und ein “Abgrund an Heuchelei”, Iran insgesamt ein “seltsames Land”. Und über allem schwebt das “Mullah-Regime”. Auf diese Terminologie hat sich SpOn mittlerweile eingeschossen.

Die schnaubende SpOn-Sprache ist nicht nervig, weil man sie nicht filtern könnte, sondern weil nach dem Filtern so wenig bleibt. Wann immer Journalisten meinen, sie müssten ihre Leser in Nachrichten mit Wertungen bombardieren anstatt ihnen Fakten zu liefern, die sie selbst werten können, hat sich der Journalismus bereits ins sichere Mauseloch verzogen. Mag ja sein, dass die iranische Festnahme der 15 britischen Soldaten viel böser und gemeiner war als die täglichen Festnahmen der Briten. Der SpOn-Berichterstattung lässt sich das nicht entnehmen. Nach Behandlung mit dem Schaumlöffel bleibt die übliche Kriegs- und Krisen-Suppe. Und der Verdacht, es könnte am Militär liegen – egal, welchen Wimpel es trägt.