Archiv für den Tag: 19. Oktober 2006

Korrekturverständnis

Die SPIEGEL-Titelgeschichte “Rettet dem Deutsch” (40/2006), deren inhaltliche Qualität mit dem Untertitel “Die Verlotterung der Sprache” hinreichend beschrieben ist, liegt bei uns noch unverdaut. Aus dem hanebüchenen Quatsch den Mathias Schreiber da zusammengetextet hat (zu viele Fremdwörter, früher warfen sich die Bauern auf dem Felde noch Lyrik zu, heute gibt es nur noch SMS-Minimal-Kommunikation; Deutsche wagen es, im Urlaub die undeutsche Sprache ihres Gastlandes zu sprechen; Ausländer können viel zu schlecht / wenig Deutsch; Deutsch muss als Staatssprache im Grundgesetz verankert werden etc.), würden wir uns auch nicht die Nettigkeit raussuchen, die Stefan Niggemeier beklagt, wenn der SPIEGEL in diesem Zusammenhang nicht ein merkwürdiges Korrekturverständnis zu Protokoll gegeben hätte.

Auf Seite 187 schreibt Schreiber:

Schon 2004, so stellte eine Studie der Universität Hannover fest, waren unter den 100 am meisten verwendeten Wörtern deutscher Rede 23 englische, fast ein Viertel – 1980 war es noch eines.

Dazu der Medienjournalist und BILD-Blogger Stefan Niggemeier:

Das ist Quatsch. Es ging nicht um die 100 häufigsten Wörter überhaupt, sondern um die 100 häufigsten Wörter in Werbeslogans (pdf).

Doch der SPIEGEL teilt mit, er habe zu diesem Punkt bisher keinen Leserbrief erhalten – mithin kann also offenbar auch keine Korrektur erfolgen. Für diese Funktionszuweisung hält Stefan Niggemeier noch ein Leserbriefdokument aus dem letzten Jahr bereit.

Spiegel Online mobil

Irgendwie unglücklich zeigt sich Trash-Blog Starkritiker Mike über die mobil-Version von SpOn.

Die bemängelten Inline-styles hat man natürlich beibehalten, die Provider sollen ja auch nicht leben wie die Hunde.
So sieht der Code nun für eine (in Zahlen: 1(!)) Überschrift aus: [den Code schenken wir uns hier]

Fachleute seien für Debatte und Programmierangebote an trash-wissen.de verwiesen.

Spiegel bleibt Marktführer

Knapp vor dem Stern und deutlich vor Focus liegt der Spiegel bei der aktuellen Auflagen-Analyse der IVW. Dennoch ging die Reichweite laut DWDL gegenüber dem Vorjahresquartal um 3,2 Prozent zurück, während ein junges Magazin wie “Neon” um 18,3% wachsen konnte.

Meinungsfakten: Kommunistische Straßennamen

Zum Tag des 17. Juni am 3. Oktober schrieb Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, für SpOn den Beitrag “Wie die DDR in der Provinz weiterlebt”, in dem er aufgrund einer Studie seines Hauses beklagt:

Wer in Ostdeutschland zu einer Landpartie aufbricht, könnte leicht auf die Idee kommen, die SED sei dort immer noch an der Macht: Ernst-Thälmann-Straße, Rosa-Luxemburg-Straße, Straße der Einheit, Straße der Freundschaft – so heißen fast in jedem Dorf die wichtigsten Straßen. Sie haben nicht nur die friedliche Revolution im Herbst 1989 überdauert, sondern auch Wiedervereinigung und 16 Jahre Demokratie.

Besonders ärgerlich findet Knabe:

Sogar Walter Ulbricht, der bereits 1972 aus dem öffentlichen Leben in der DDR verbannt wurde, hat noch eine Straße: in Chemnitz.

In einer kurzen Entgegnung im Neuen Deutschland (ND) meint allerdings Claus Dümde unter der Überschrift “Angst vor toten Roten”:

Unglaublich! Zumal die schon 1943 so hieß, als ich in dem Viertel geboren wurde. Und geschichtsbewusste Chemnitzer wollen angeblich schwören, dass sie an einen Maschinenbaufabrikanten dieses Namens erinnert, der im 19. Jahrhundert am Aufblühen des »sächsischen Manchesters« beteiligt war.

Die Pressestelle der Stadt Chemnitz bestätigt nach Klärung im Stadtarchiv, dass es eine Ulbricht-Straße (ohne Vornamen) seit 1908 gibt – der Namensgeber sei nicht belegt, doch Walter Ulbricht scheide offensichtlich aus.

Knabe hat, wie er spiegelkritik auf Anfrage sagt, seine Mitarbeiter beauftragt, die Namensherkunft zu prüfen – einschließlich der Frage, ob der Namenspatron vor Ort auch entsprechend ausgewiesen ist. Auf die Kritik des “nicht satisfaktionsfähigen” ND wolle er aber nicht reagieren, da sie “am Kern unseres Vorstoßes vorbeizielt”. Autor Dünde sei einschlägig als “Hassprediger gegen jede Form der Aufarbeitung” bekannt.

Sinn von Straßenbenamsungen hin oder her – die “toten Roten” leben jedenfalls auch im Westen. Die Verbreitung der inkriminierten Straßennamen im bundesdeutschen Altgebiet kann jeder selbst prüfen: zum Beispiel bei der Postleitzahlensuche: Straßenname “Karl-Marx-Straße”, und als Postleitzahlen die ersten zwei Stellen eines sicher westdeutschen Gebietes – ergibt für den Bereich 64 elf Treffer, Rosa Luxemburg ist in beiden Frankfurts vertreten, Ernst Thälmann hat in seinem Geburtsort Hamburg tatsächlich auch seinen Platz.