Wie der Spiegel einmal einen Bundesinnenminister stürzte

Ein fehlerhafter Spiegel-Artikel trug zu seinem Rücktritt bei: Bundesinnenminister Rudolf Seiters nahm seinen Hut, kurz nachdem im Juni 1993 Beamte von GSG 9 und Bundeskriminalamt versucht hatten, zwei gesuchte Mitglieder der Roten Armee Fraktion festzunehmen. Bei dem Einsatz starb der GSG-9-Polizeikommissar Michael Newrzella sowie das RAF-Mitglied Wolfgang Grams. Der Spiegel hatte in seiner nächsten Ausgabe behauptet, dass ein GSG-9-Beamter gezielt und aus nächster Nähe auf den Kopf von Grams geschossen habe. Grams sei “regelrecht liquidiert worden”.

Im Rheinischen Merkur schreibt Butz Peters:

Vier Tage nach der Bahnhofsschießerei. In der ARD verkündet WDR-“Monitor”-Chef Klaus Bednarz der Nation sein Fazit: “Alles deutet auf Exekution.” […] Das Fass zum Überlaufen aber bringt für Bundesinnenminister Seiters der “Spiegel”-Artikel “Tötung wie eine Exekution” (Ausgabe 27/93). […] Rudolf Seiters liest den Artikel, fragt seine Mitarbeiter im Bundesinnenministerium: “Wie schnell können wir diese Vorwürfe widerlegen?” “Fünf bis sechs Monate wird das schon dauern”, erhält er als Antwort – wegen der notwendigen “langwierigen Untersuchungen” angesichts von diversen Ermittlungspannen der Polizei. Für den Innenminister ist die Vorstellung unerträglich, die “haltlosen und falschen Vorwürfe” über “eine so lange Zeit nicht fundiert widerlegen zu können”. Innerhalb weniger Stunden tritt er zurück – eine Woche nach Bad Kleinen. Für ihn ist es ein “Akt der Schadensbegrenzung”.

Gegenüber dem Rheinischen Merkur spricht der Autor des Artikels, der heute bei der Süddeutschen Zeitung arbeitende und dort als Rechercheur hoch angesehene Hans Leyendecker, von einem “Gau”. Sein Fehler sei gewesen, nur einer Quelle zu vertrauen, obwohl es journalistisch-handwerklich sauber sei, nur das als gesichert anzusehen, was zwei voneinander unabhängige Quellen übereinstimmen berichten.

Butz Peters beschreibt auch, wie der Spiegel von seiner einmal veröffentlichten Ente erst nicht wieder ablassen wollte:

Der “Spiegel” jedenfalls hielt zunächst an seinem “Antiterror-Spezialisten” fest. Zwei Monate nach Bad Kleinen meldete er: “Seine ausführliche und frühzeitige Beschreibung des Desasters hat sich in vielen Details im Nachhinein als richtig erwiesen.” Genau das Gegenteil ist richtig. […]

Ein Gedanke zu „Wie der Spiegel einmal einen Bundesinnenminister stürzte

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