Archiv für den Tag: 18. Juni 2006

Vergangenheitsbewältigung

Die deutsche Vergangenheit ist ein beliebtes Thema im Spiegel. Wie das Blatt selbst seine eigene Vergangenheit aufarbeitet, das beschreibt der Artikel “Ich hatt’ einen Kameraden” von Willi Winkler, der am Mittwoch auf Seite 15 der Süddeutschen Zeitung erschienen ist.

Winkler geht zurück bis zum Reichstagsbrand am 27. Februar 1933, für den die Nazis den niederländischen Kommunisten Marinus van der Lubbe verantwortlich gemacht hatten. Der Reichstagsbrand lieferte den Anlass, um hunderte Kommunisten und Sozialdemokraten zu verhaften und damit der NSDAP bei den für den 5. März angesetzten Reichstagswahlen zum Erfolg zu verhelfen. Die Theorie vom Alleintäter Lubbe war stets umstritten, zumal auch die SA Motiv und Möglichkeit hatte.

Der Spiegel wollte Ende der Fünfzigerjahre nun die endgültigen Beweise gefunden haben: „Einer Jahrhundert-Legende wird der Todesstoß oder, um im Bilde zu bleiben, der Dolchstoß versetzt“, schrieb Herausgeber Rudolf Augstein am 21. Oktober 1959 an den „lieben Spiegelleser“ zu Beginn einer elfteiligen Serie über den Reichstagsbrand. „Wir haben künftigen Geschichtsschreibern ein kleines Stück Kärrner-Arbeit abgenommen, was dem Journalisten nur höchst selten und mit viel Glück vergönnt ist.“ Über den Reichstagsbrand werde nach dieser Spiegel-Serie nicht mehr gestritten werden“, verkündete Augstein. „Es bleibt nicht der Schatten eines Beleges, um den Glauben an die Mittäterschaft der Nazi-Führer lebendig zu erhalten.“ Van der Lubbe wurde bei Augstein sogar vom Menschen zum „halbtierischen Subjekt“.

Ob es wirklich van der Lubbe war, blieb freilich nach der Spiegel-Serie unter Historikern so umstritten wie zuvor. Das Material für diese Serie stammte jedenfalls von dem niedersächsischen Oberregierungsrat Fritz Tobias, den Text redigierte ein freier Mitarbeiter, der für den Spiegel nach dessen Aussage „projektbezogen tätig“ wurde: Dr. Paul Karl Schmidt. Weiterlesen